Auf der Straße – Axel erzählt von seinem Leben

Vor gut zehn Tagen stellte ich auf meinem Blog das Buch "Alexanderplatz"  vor.

Die Punks vom Alexanderplatz


Ein Buchprojekt von dem Potsdamer Fotografen und Künstler Göran Gnaudschun, der über die Punks, Obdachlosen und Gestrandeten am Alexanderplatz berichtet. Und ich erzählte von meinen Erfahrungen auf dem Alex, der für einige Zeit auch mein Zuhause war. 


Ich wollte damit die Menschen ermutigen, einen zweiten Blick zu riskieren! Wer sitzt da am Straßenrand? Welche Geschichte steckt dahinter? 


Es gab einige interessante Kommentare, unter anderem von Caroline, Mutter und Journalistin, die auf ihrem Moralblog von Axel erzählt. Dieser Bericht hat mich bewegt.


Ich habe Caroline gebeten, ob ich ihn übernehmen darf …. Danke! 


Auf der Straße


„Bevor meine Frau gestorben ist, war es ein schönes Leben. Ich habe gearbeitet, hatte ein Haus und sechs Kinder.“, beginnt Axel Markowsky, als er im Moralblog-Interview über seine Zeit auf der Straße (in Duisburg) spricht.


Wie viele Menschen in Deutschland ohne festen Wohnsitz leben, ist unklar, darüber gibt es keine verlässlichen Statistiken. Lediglich das Land Nordrhein-Westfalen veröffentlicht die Zahl der gemeldeten Obdachlosen. 2006 waren das beispielsweise in Duisburg sechsundneunzig. Aber vermutlich ist die wahre Zahl größer.

Axel dürfte in dieser Statistik zum ersten Mal seit Jahren nicht mehr aufgetaucht sein. Denn das war das Jahr, als es in seinem Leben langsam wieder bergauf ging. Inzwischen lebt er in einem kleinen Apartment von Hartz IV und den Verkaufserlösen des Straßenmagazins fiftyfifty.


„Das mit meiner Frau war eine richtige Sandkastenliebe. Wir waren seit unserem zweiten Lebensjahr zusammen.“, erzählt Axel, „Wir haben uns zwar scheiden lassen, als die Kinder groß waren, aber bald gemerkt, dass das nichts für uns war. Wir wollten wieder zusammenkommen. Aber dann ist meine Frau krank geworden und vier Wochen später gestorben.“

„Sie war eine tolle Frau. Und obwohl wir sechs Kinder hatten, war sie immer schlank. Aber als ich sie dann auf dem Sterbebett gesehen habe, bin ich zusammengebrochen. Ich habe das Haus verkauft und das Geld unter den Kindern aufgeteilt. Von da an habe ich auf der Straße gelebt“, blickt Axel zurück. „Ich wollte gar nicht mehr leben. Mir war zu der Zeit alles egal.“ 


Warum Menschen obdachlos werden, lässt sich nicht pauschal sagen. Axel berichtet von Professoren und Geschäftsführern, die von Schicksalsschlägen so aus der Bahn geworfen wurden, dass sie obdachlos wurden. Er kennt aber auch Menschen, die freiwillig gerne so leben möchten.

Axel kann auf 35 Jahre Berufsleben zurückblicken: „Ich habe eine Lehre als KFZ-Mechaniker gemacht. Danach habe ich Lokführer gelernt und zwei Jahre gearbeitet. Dann wurden Lokführer entlassen, weil alles mit Funk gemacht wurde. Dann habe ich als Dachdecker gearbeitet, fast 15 Jahre lang. Dann habe ich Auslieferungsfahrer gemacht. Zum Schluss habe ich als Schlosser gearbeitet. Da war ich auf Montage und habe das meiste Geld verdient. Das war ein schöner Job. Ich könnte mir heute in den Hintern beißen, dass ich den aufgegeben habe.“


Wenn möglich bis zur Rente möchte Axel nun weiter die Obdachlosenzeitung verkaufen. Manchmal wird er gefragt, warum er nicht wieder richtig arbeitet. „Ich bin bald 55 Jahre alt. Ich kriege keine Arbeit. Wenn ich mein Alter sage, dann kann ich gleich wieder nach Hause gehen“, ist die Erfahrung, die Axel machen musste.

„Ich habe heute noch die Bilder von meiner Frau auf dem Sterbebett im Kopf. Ich kriege die auch nicht raus. Ich habe getrunken. Das hat nichts genutzt. Da habe ich wieder aufgehört. Ich habe sogar Drogen genommen. Die haben einen aber auch nur matschig gemacht. Da habe ich auch mit aufgehört“, so Axel, „Zum Glück habe ich noch mal die Kurve gekriegt."


“Wenn Axel lacht, dann blickt er zur Seite oder kneift die Lippen zusammen. Axel erklärt: „Ich bin mehrmals überfallen worden und habe keine Zähne. Wenn ich das Geld dafür zusammen habe, dann gehe ich zum Zahnarzt. Ich hoffe, dass ich im Sommer wieder richtig mit den Menschen reden kann.

“Regelmäßig werden Obdachlose Opfer sinnloser Gewalt. Jugendliche schleichen sich an die schlafenden Menschen an und verprügeln sie. „Einem Kollegen haben sie den Schlafsack angezündet, als er drin gelegen hat“, sagt Axel.


In Deutschland muss niemand obdachlos sein. Aber Axel bestätigt, dass man Hilfe auch annehmen muss. „In der Zeit, in der ich Drogen genommen und getrunken habe, habe ich mich abgeschottet. Aber dann bin ich durch einen Bekannten an die Zeitung gekommen. Und das war ein Glücksfall.“

„Durch die Zeitung habe ich meinen jetzigen Vermieter kennen gelernt. Er hat mich angesprochen, mir die Wohnung angeboten und alles für mich geregelt.“, erzählt Axel. „Erst durch die Zeitung habe ich wieder Kontakt zu anderen Menschen bekommen.“

Axel hat inzwischen viele gute und hilfsbereite Menschen kennengelernt. Jetzt möchte er selber anderen Menschen helfen. Im neuen fiftyfifty-Büro an der Koloniestraße kann er sich inzwischen nützlich machen, wenn eine neue Zeitungslieferung eingetroffen ist. Und er freut sich, wenn er kleine Arbeiten in Haus und Garten für Menschen übernehmen kann, die zu alt dafür geworden sind.

Inzwischen hat Axel auch wieder regelmäßig Kontakt zu seinen Kindern und Enkelkindern. „Und wenn ich mir etwas wünschen könnte, ganz ehrlich: Ich wünsche mir Weltfrieden. Ich wäre zufrieden, wenn jeder Hand in Hand mit anderen leben könnte – Mensch ist schließlich Mensch.“


Axel hat nicht aufgegeben: „Ich bin katholisch. Ich denke mir, Jesus ist immer bei mir. Mit ihm kann ich sprechen, er hilft mir immer. Dafür muss man nicht in die Kirche gehen. Die Kirche ist nur ein Haus. Jesus und Gott, die sind hier…“, sagt Axel und fasst sich an die Brust.


Dieser Artikel ist vom 12. März 2010: moralblog.de/2010/03/12/auf-der-strase


Carolin und ihr Mann Harald haben auch heute noch – 4 Jahre später – ab und an mit Axel Kontakt.

"Die Sache mit den Zähnen haben wir übrigens kurz nach dem Interview zusammen geregelt", erklärt mir Caroline. "Ich habe mit meiner Zahnärztin, die auch wirklich nett ist, besprochen, dass sie Axel ohne irgendwelche Vorurteile behandelt. Natürlich geht er auch, wie die meisten Menschen, nicht gerne zum Zahnarzt. Aber ich habe am Anfang seine Termine koordiniert und ihn immer wieder daran erinnert. Es stellte sich heraus, dass er sich um die Bezahlung unnötig Sorgen gemacht hat. Und so bekam er dann einen vernünftigen Zahnersatz, mit dem er jetzt sogar gerne lächelt."

"Weiterhin gibt es in seinem Leben Höhen und Tiefen. Aber er hat immer noch seine Wohnung und verkauft weiterhin die Obdachlosenzeitung. Weil er offen und freundlich auf die Leute zugeht, lernt er immer wieder Menschen kennen, die es gut mit ihm meinen. Und das braucht er auch, denn mit diesem Hintergrund ist es anscheinend besonders schwierig sein Leben im Griff zu behalten."

Axels größte Sorge sei, neben immer wieder neuem gesundheitlichem Pech, sein Roller. "Er lebt wirklich sehr bescheiden, aber er möchte immer mobil sein. Meistens ist er mit dem Fahrrad unterwegs. Aber das ist ihm letztens gestohlen worden", schreibt mir Carolin vor einigen Tagen.


"Ein netter Mensch hat ihm aber inzwischen ein Rad geliehen. Viel lieber möchte er aber endlich seinen Roller in Betrieb nehmen, für den er gespart hat und den er sich vor ein paar Monaten günstig gebraucht kaufen konnte. Seitdem hat er es aber nicht geschafft, das nötige Kleingeld für die Ersatzteile und die Zulassung bzw. Versicherung zusammenzukriegen. In seinem Leben ist Geld nach wie vor immer knapp. Der Fifty-Fifty-Verkauf läuft zur Zeit auch nicht so gut und mit dem Amt hat er ständig Probleme. Aber wie immer versucht er, sich nicht unterkriegen zu lassen. :-)"

 

Das war ein Blick in das Leben von Axel!

Ich bin sehr dankbar, dass es Menschen wie Caroline und Harald gibt, die sich mit Herzblut und viel Geduld um Menschen kümmern! Meinen Respekt!

Und Dir Axel wünsche ich von Herzen, dass Du weiterhin dranbleibst – niemals aufgibst und dass Gott Dir zur richtigen Zeit, die richtigen Menschen schicken möge. Menschen, die Dir eine Hilfe und Unterstützung sein können und auch Menschen, die Du fördern und ermutigen kannst! Schön, dass es Dich gibt!


Alles Liebe und ganz viel Segendauerregen!
Mandy

 

© Foto: Caroline Stollmeier

 


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Dieser Beitrag wurde am 1. November 2014 veröffentlicht.

25 Gedanken zu „Auf der Straße – Axel erzählt von seinem Leben

  1. GekreuzSIEGT Moderatorin - Sandra

    Das ist wirklich bewegend. Ich hab vor ca. 20 Jahren in einem Schreibwaren- und Lottoladen gearbeitet, der hinten noch eine Trinkhalle angegliedert hatte. Für mich war es ganz normal, mit jedem dort "normal" umzugehen. Einer von denen, die kamen, hat auch auf der Straße gelebt. Er hatte zum Teil verfaulte Finger und hat wirklich 10km gegen den Wind gerochen …. Und ich hab von denen, die halt morgens um sechs Uhr schon nach Bier schrieen, auch viele Lebensgeschichten erfahren. Ich bin überzeugt, dass keiner von all den Obdachlosen es verdient, mit Verachtung behandelt zu werden. Es ist eine Mischung aus vielen einzelnen Gründen, warum der Mensch im Alltag sich nicht auf Obdachlose zubewegt. Natürlich gibt es auch Menschen, die nur Verachtung übrig haben. Aber das bezieht sich nicht nur auf Obdachlose. 

    Mehr als alles andere behüte Dein Herz. 

    Das trifft auch hier zu. 

    Ich wünsche Axel nur das Beste. Vor allem immer wieder liebe Menschen, die ihm helfen. Hat er vielleicht ein Konto, auf das wir ihm zu Weihnachten Geld überweisen könnten? Dann könnte er sich ein cooles Rad kaufen 😉

    Gott schütze ihn. 

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  2. Alex

    Eine sehr berührende Lebensgeschichte, Mandy!

    Ich möchte mich Sandras Frage anschließen, ob man eine Kontonummer erfahren kann. Auch ich würde gerne einen kleinen Beitrag leisten, dass Axel bald genug Geld zusammen hat, um die Ersatzteile für seinen Roller kaufen zu können oder für Zulassung und Versicherung. Falls das möglich ist, bitte eine kurze Email an mich. Danke!

     

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  3. Veronika

    Ich würde Alex auch gerne eine kleine Freude machen. Bitte die Kontonummer, falls möglich auch an mich.
    Shalom euch allen

    Antworten
    1. Mandy Artikelautor

      Das ist ja super lieb von Euch Veronika und Stefanie! :-)

      Darf ich Eure E-Mail Adressen an Caroline (die über Axel berichtet hat) weitergeben, dann kann sie Euch die Bankverbindung von Axel vermitteln.

      Lieben Gruß und tausend Dank! Er wird sich sicher sehr freuen! :-)

      Mandy

      Antworten
        1. Mandy Artikelautor

          Ah, danke für den Hinweis.  Ganz übersehen. :-)

          Schön! Ich habe mal Caroline gemailt und gefragt, wie wir das am besten machen. 

          Sie oder ich melde mich dann per E-Mail.

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  4. brigitte

    Dieser Beitrag hat mich sehr berührt, wie oft werden die Obdachlosen verurteilt, ohne dass man Ihre Schicksäle kennt, daher bete ich für Axel dass es Ihm immer gelingt mit Jesus zu wandeln und sein Leben trotz Leid und Sorgen  eine gute Weitere Zukunft bringt ,er möge jeden Tag von unserem Herrn beschützt und behütet  sein, das wünsche ich Ihm von Herzen. 

    Antworten
  5. ingrid

    Ich möchte Axel auch gerne helfen …….

    würde ihm gerne zu Weihnachten ein persönliches Päckchen schicken….

    falls es möglich ist, seine Adresse zu bekommen.

    Liebe Grüße

    Ingrid

    Antworten
  6. Sandra

    Der Gedanke, dass er viele schöne Päckchen bekommt, erfüllt mein eigenes Herz mit großer Freude. 

    Yippieh. Ich freue mich schon auf's Einkaufen :-)

    SO macht Weihnachten Spaß. Anderen helfen. Weil Jesus Jesus ist. Und nicht weil der Weihnachtsmann der Weihnachtsmann ist 😉

    Antworten
  7. Martina Gunkel

    Hallo Mandy,

    wenn du mir auch die Adresse von Axel schickst, schicke ich ihm auch ein kleines Päckchen zu Weihnachten :)

    Liebe Grüße
    Martina

    Antworten
  8. Elke

    Liebe Mandy, möchte Axel auch gerne eine kleine Freude bereiten,

    freu mich über Adresse und Bankverbindung. DANKE Mandy.

    Einen gesegneten Wochenstart wünsch ich euch allen .

    Antworten
  9. S. M.

    Hallo Mandy! Ich möchte Axel auch gerne helfen. Bitte sende mir auch seine Adresse und Bankverbindung zu.
    Danke!

    Liebe Grüsse

    Antworten
  10. ingrid

    Liebe Mandy!

    Hast Du vielleicht nochmal etwas von Axel gehört?

    Wie es ihm inzwischen geht ….. ob er wohl all die versprochenen Grüße bekommen hat?

    Vielleicht können wir ja nochmal von ihm hören …… ?!

    Das würde sicher viele interessieren.

    Liebe Grüße

    Ingrid

    Antworten
  11. Caroline

    Hallo zusammen! :-)

    Ja, ich habe immer noch häufig Kontak zu Axel, obwohl wir jetzt seit zwei Jahren keine Nachbarn mehr sind. Es geht ihm im Großen und Ganzen gut. Er hat immer mal wieder Pech mit der Gesundheit, aber wer kennt das nicht?! Die Zeit um Weihnachten ist für ihn immer eine ganz besondere, weil er Geschenke bekommt und die Menschen einfach netter sind. :-)

    Einige von Euch haben ihm ja nach dem Artikel von Mandy hier spontan auch Geschenke oder sogar Geld geschickt. Das ist alles angekommen! Und natürlich hat er sich riesig gefreut! Das könnt Ihr Euch ja sicher vorstellen. :-) Er hat mir ganz stolz erzählt, dass er unter anderem einen Schal (den er natürlich immer gut gebrauchen kann!), ein Buch und viele Süßigkeiten bekommen hat. Das Geld hat er für Ersatzteile für seinen Roller ausgegeben. Ich hoffe, dass er uns bald mal damit besuchen kommt, aber gerade heute hat es hier angefangen zu schneien, also wird das wohl an diesem Wochenende wieder nichts. 😉 Außerdem konnte er sich einen anderen lang gehegten Traum erfüllen: er hat eine Garage angemietet. Jetzt wird er hoffentlich nicht wieder das Problem haben, dass ihm nachts sein Roller oder sein Fahrrad geklaut wird, nur weil er es auf der Straße parken muss. (Ist leider schon passiert.)

    Axel lebt ja jetzt schon lange so mehr oder weniger angewiesen auf die Hilfe und Großzügigkeit anderer Menschen. Was ich bei ihm toll finde ist, dass er es aber trotzdem nicht als selbstverständlich hin nimmt, sondern immer noch dankbar und irgendwie überrascht ist, wenn jemand hilft.

    Er wollte eigentlich denjenigen von Euch schreiben, von denen er die Adresse hat. Aber ich fürchte, dazu ist er… noch nicht gekommen. 😉 Also gebe ich seinen Dank einfach mal auf diesem Weg weiter!

    Herzliche Grüße Euch allen! Und kommt gut ins Neue Jahr! :-)

    Antworten
    1. GekreuzSIEGT Moderatorin - Sandra

      Liebe Caroline, danke für die Rückmeldung. Ich freue mich sehr, ein Schal und ein Buch waren in „meinem“ Päckchen an ihn drin und ich hab mich wirklich gefragt, ob ihn das freut. Um so mehr freue nun ich  mich, dass er davon gesprochen hat. 

      Ich hab bewusst keine Adresse angegeben, weil Axel sich zu nichts verpflichtet fühlen soll und muss. Es hat mir so viel Freude gemacht. Das mit der Garage freut mich riesig für ihn. Hoffe, Ihr trefft Euch dann bald mal. Ein gutes Neues Jahr für Euch alle. Sandra 

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